Janice Jakait

Janice Jakait, geboren 1977, aufgewachsen in Lengefeld im Erzgebirge, gab ihre Arbeit als IT-Beraterin für das Abenteuer »Leben!« auf. Als erste Deutsche überquerte sie 2011/2012 allein und ohne Beiboot in einem Ruderboot den Atlantik. Über ihre Erfahrungen auf dem Meer schrieb sie den Bestseller Tosende Stille. Heute lebt Janice Jakait als Theophilosophin und Autorin in Trier und steht mit ihren Vorträgen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf der Bühne.

» Man staunt über den Augenblick und möchte einfach nur verweilen«

 

Wie kommt man auf die waghalsige Idee, allein in einem Ruderboot den Atlantik zu überqueren?

Ich war schon immer ein extremer Mensch. Statt einfach stehen zu bleiben und durchzuatmen, habe ich Glück, innere Ruhe und Harmonie immer im Spektakel gesucht. Es war also kein Wunder, dass ich 1999 Feuer fing, als ich davon hörte, dass eine Frau etwas ähnlich Verrücktes auf dem Atlantik vorhatte. Und nur knapp mit dem Leben davonkam. Anfangs schüttelte ich noch den Kopf — aber sie startete erneut, als die Verletzungen verheilt waren, und schaffte es tatsächlich. Wenn jemand so etwas zweimal riskiert, dann muss es dort draußen etwas geben, das es wert ist, gefunden zu werden! Im Jahr 2010 fasste ich den Entschluss, es auch auf diesem Ozean zu (ver)suchen. Es war einfach mein Ding, es passte, das sollte es sein. Wenn ich nicht hier herausfinde, was in meinem Leben nicht ganz rund läuft, wo dann? Zur gleichen Zeit traf ich das Team von OceanCareund entdeckte meine Leidenschaft für den Meeresschutz. Diese Kampagne gegen den Unterwasserlärm hat mich immer befeuert und angetrieben. Und irgendwann stand ich einfach am Kai in Portimão. Alles, was ich noch tun musste, war, mich abzustoßen.

 

Wie lange und in welcher Form haben Sie sich mental und körperlich vorbereitet? Was packt man in seinen »Koffer«?

Die aktive Vorbereitung erstreckte sich über etwa zwei Jahre. Natürlich gehört ein körperliches Training dazu, aber ich war wirklich keine Sportskanone. Gerudert hatte ich bis zu diesem Entschluss nur ein paarmal am Baggersee. Wenn ich mich aber auf etwas einlasse, dann mit Haut und Haar. Ich wollte mir keine Schwäche erlauben, machte alle Segelscheine und sammelte Erfahrungen. Der größte Aufwand war für die Logistik und die Arbeiten am Boot erforderlich. Ich habe Bifröstausgerüstet und seefest gemacht. Natürlich musste ich jede Schraube kennen, das Equipment beherrschen, navigieren können. Am Ende wog das Boot etwa eine Tonne. Hunderte Kilogramm Nahrungsmittel und hundert Liter Trinkwasser für den Notfall, drei Shirts und 15 Kilogramm Medikamente — was immer an Bord war: Ich konnte damit umgehen und nicht darauf verzichten.

 

Eine große deutsche Tageszeitung veröffentlichte kürzlich eine Betrachtung über das Rudern als Lebenskunst mit der Überschrift »Vorwärtsfahren, rückwärtsschauen«. Verkörpert das auch Ihr Verständnis vom Rudern?

Genau das war mein Problem im Leben! Ich war immer in der Vergangenheit verhaftet oder hoffte, in der Zukunft mal irgendwo anzukommen. Der wunderbare Moment, in dem man das Jetzt erlebt, ging dabei verloren. Ich habe immer verrückte und großartige Ziele in der Zukunft angesteuert und gefürchtet, an ihnen vorbeizurudern. Vielleicht stimmt es: Schaut man zurück, aber rudert gleichzeitig vorwärts, pendelt man sich auf so einem Boot womöglich doch in der Mitte ein, im Jetzt.

 

Wie erging es Ihnen in den ersten Tagen? Womit hatten Sie am meisten zu kämpfen? Gab es Momente, in denen Sie aufgeben wollten?

Ich war schwer seekrank, konnte kaum schlafen, nichts war im Magen zu behalten, dazu der Stress. Ich habe extrem halluziniert, mir fehlen viele Stunden der Erinnerung im Boot. Was ich aber weiß, ist, dass der Gedanke aufzugeben nie zur Debatte stand. Weiter! Um jeden Preis. Wie Rüdiger Nehberg mir mit auf den Weg gab: »Bei so einer Aktion muss man irgendwo hinter sich abbrechen, Janice!« Das habe ich getan. Wenn ich wieder lebendig an Land gehen sollte, dann in der Karibik. Ich habe mein Leben und Leiden in die Hände des Ozeans gelegt. Ich war sehr gut vorbereitet, aber das letzte Wort hat eben das Meer. Ich habe die Ohren gespitzt und war bereit zuzuhören. Ich wollte meinen übermächtigen Verstand, der mich letztlich hier hinausgetrieben hatte, endlich entmachten, ihm den Kontrollzwang nehmen — das Meer entschied jetzt über mein Wirken und Handeln. Und mein Herz sagte: »Weiter! Es ist die richtige Richtung.«

 

Für die meisten Menschen ist Einsamkeit eine bedrückende Vorstellung. Sie hatten über 6500 Kilometer lediglich Kontakt zu Delfinen, Walen und Schiffen auf Kollisionskurs zu Ihnen. Wie haben Sie diese Einsamkeit erlebt?

Die ersten zwei Wochen waren sehr unangenehm. Ich fühlte mich wie auf einem kalten Entzug von der Reizüberflutung an Land. Oft hörte ich Stimmen oder verlor mich im zermürbenden Lärm meines Ruders, des Windes und der Wellen. Aber dann, irgendwann, kommt man einfach an. Und die Wale und Delfine warten schon und holen dich ab. Ich war nie wirklich allein. Ein Vogel begleitete mich 88 Tage lang. Einer der vielen Wale blieb ganze zwei Wochen. Ich fühlte mich nie als Fremdkörper dort draußen, ich spürte, dass ich jetzt genau hier sein sollte. Man staunt über den Augenblick und möchte einfach nur verweilen — im Drama, aber eben auch in der Komödie dieses Abenteuers. Am Ende war es völlig egal, wann und wo ich ankomme und wie lange ich noch allein sein werde.

 

Welche Gefahren sind Ihnen begegnet? In welchen Momenten hatten Sie Angst?

Die Angst kommt in der Regel immer erst, wenn es still auf dem Meer wird, die Wellen abflauen, die Gefahr vorüberzieht und man sich im Verstand verlieren kann. Das war selten der Fall. Vorher hat man einfach zu viel zu tun und ausreichend Adrenalin im Blut. An Momenten mit hohem Adrenalinspiegel mangelte es natürlich nicht: Verfangen in einem Treibnetz, fast von einem Fischtrawler überfahren — und auch die 300 Meter langen Tanker, die auf mich zusteuerten und per Funk nicht zu erreichen waren, waren ein Albtraum. Der schlimmste Moment war auch mein schönster: Als ich das Boot unter Wasser von Muscheln befreite, wurde ich von einem gigantischen »Fisch« am Bein erwischt. Hinter mir war plötzlich alles nur schwarz. Ich schaffte es nicht mehr ins Boot, da sich meine Schlingleine zum Einsteigen zugezogen hatte. Dass es am Ende kein Fisch, sondern ein Wal war, das konnte ich in diesem Moment nicht ahnen.

 

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Im Moment zieht mich das Schicksal an die Westküste der USA. Es sieht so aus, als würde ich den Pazifik mit Windkraft überqueren — aber vielleicht wartet dort auch etwas ganz anderes auf mich. Es kommt ja immer anders, als es der Verstand erwartet. Ich bin dankbar für jede Überraschung.

 

 

Internet: www.jakait.com




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